BGH prüft: Wann muss die Schufa die alten Schulden löschen?

Wie lange dür­fen die Schu­fa und an­de­re Aus­kunf­tei­en spei­chern, dass je­mand eine Pri­va­tin­sol­venz hin­ter sich hat? Das prüft der Bun­des­ge­richts­hof seit Diens­tag. Ge­klagt hat ein Be­trof­fe­ner, der er­rei­chen will, dass die Schu­fa sol­che Ein­trä­ge frü­her lö­schen muss. Er könne des­halb kei­nen Kre­dit auf­neh­men, keine Woh­nung neu mie­ten und nicht ein­mal ein Bank­kon­to er­öff­nen. Aus­kunf­tei­en be­fürch­ten ne­ga­ti­ve Aus­wir­kun­gen für die Bo­ni­täts­prü­fung.

Wen das alles betrifft

Eine Verbraucherinsolvenz – oder umgangssprachlich Privatinsolvenz – soll überschuldeten Menschen die Chance geben, nach einer gewissen Zeit frei von Forderungen noch einmal von vorn anzufangen. Solange das Verfahren läuft, werden das pfändbare Vermögen und Einkommen an die Gläubiger verteilt. Nur das zum Leben Notwendige darf man behalten. Der Vorteil: Restliche Schulden werden am Ende erlassen. Nach den neuesten Zahlen des Statistischen Bundesamts wurden 2021 mehr als 78.600 Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet. Die Wirtschaftsauskunftei Crif zählte für dasselbe Jahr etwas mehr als 109.000 Privatinsolvenzen und rechnete im Oktober 2022 mit rund 100.000 Fällen im Gesamtjahr. Laut Crif geht es dabei nicht unbedingt um sehr große Summen: Ein Großteil der Betroffenen hatte demnach Schulden von knapp unter 10.000 Euro. Die Zahl der überschuldeten Menschen liegt deutlich höher – nach dem „Schuldneratlas“ der Auskunftei Creditreform waren es 2022 knapp 5,9 Millionen. Die Dauer des Insolvenzverfahrens wurde zuletzt schrittweise von sechs auf drei Jahre verkürzt. Der Kläger, der nach einer gescheiterten Selbstständigkeit Schulden hatte, durchlief zwischen 2013 und 2019 noch das lange Verfahren. Anschließend wurde ihm die sogenannte Restschuldbefreiung erteilt.
Worum es vor Gericht geht

Erteilte Restschuldbefreiungen werden amtlich bekanntgemacht, auf dem Internetportal www.insolvenzbekanntmachungen.de. Dort ist die Information sechs Monate lang abrufbar. Auskunfteien wie die Schufa greifen darauf zu und speichern die Daten bei sich drei Jahre lang. Die Frage ist, ob das noch zulässig ist, denn seit Mai 2018 gilt in der Europäischen Union ein neues Datenschutzrecht. In dem Fall, der jetzt beim BGH höchstrichterlich geklärt wird, war das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht zuletzt der Ansicht, dass der Eintrag wie auf dem Behörden-Portal nach sechs Monaten zu löschen ist. „Denn es liegt auf der Hand, dass das Ziel, einem Schuldner (…) einen Neustart zu ermöglichen, durch eine weitere Publizität der früheren Insolvenz erschwert wird.“
Warum auch der EuGH mit im Spiel ist

Ein ganz ähnlicher Fall beschäftigt derzeit den Europäischen Gerichtshof, nach einer Vorlage des Verwaltungsgerichts Wiesbaden. Es könnte daher darauf hinauslaufen, dass die obersten deutschen Zivilrichterinnen und -richter zunächst das Luxemburger Urteil abwarten, wie der Senatsvorsitzende Stephan Seiters in der Verhandlung sagte. Sind dann noch Fragen offen, könnten sich die Karlsruher Richter damit selbst noch einmal an den EuGH wenden. Ihre Entscheidung wollen sie aber erst am 28.03.2023 verkünden. Seiters sagte, generell wäre es sinnvoll, wenn der deutsche Gesetzgeber die Speicherung verbindlich regeln würde. Solange solche Vorgaben fehlten, könnten die Gerichte nur jeden Einzelfall prüfen.
Was für die Auskunfteien auf dem Spiel steht

Bei der Schufa waren im dritten Quartal 2022 rund 302.000 Menschen mit Restschuldbefreiung erfasst. Nur bei ungefähr 41.000 davon war diese Information noch kein halbes Jahr alt. Bei den restlichen 261.000 müsste sie bei einer Niederlage also gelöscht werden. Laut Schufa hätte das auch negative Auswirkungen für alle, die ihre Rechnungen immer pünktlich bezahlen. „Durch eine auf sechs Monate verkürzte Speicherdauer entfallen hochrelevante Informationen zur umfassenden Einschätzung der Bonität von Personen“, teilte eine Sprecherin auf Anfrage mit. „Unternehmen müssen ein höheres Zahlungsausfallrisiko in Kauf nehmen, Kosten durch Zahlungsausfälle müssen durch alle Kunden mitgetragen werden.“ Nach einer eigenen Auswertung der Schufa haben Menschen, die schon einmal insolvent waren, in den ersten drei Jahren danach ein erhöhtes Risiko für eine Zahlungsstörung. Nach den Daten aus den Jahren 2018 bis 2021 fielen 15,27% der Personen mit Restschuldbefreiung negativ auf. Bei allen anderen waren es nur 4,35%. Seiters sagte allerdings, die vorgelegten Zahlen hätten seinen Senat bislang nicht überzeugt. Nach Angaben des Schufa-Anwalts steht im Eintrag des Klägers inzwischen nichts mehr von der Privatinsolvenz – die Information sei automatisch nach drei Jahren gelöscht worden. Der Anwalt des Mannes sagte dagegen, dafür lägen ihm keine Belege vor.

zu BGH – aus: Redaktion beck-aktuell, Anja Semmelroch, 14. Feb 2023 (dpa).