Arbeitsschutz in Zeiten der Pandemie – Die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung (Corona-ArbSchV)
Das Bundesarbeitsministerium hat am 27.1.2021 im Wege einer Rechtsverordnung
gemäß § 18 Abs. 3 S. 1 ArbSchG die Corona-ArbSchV erlassen. Mit der Verordnung
will das Ministerium Regeln einführen, die das Infektionsgeschehen durch das
Coronavirus begrenzen. Nachdem für den privaten Bereich eine Vielzahl von Regelungen seit März des letzten Jahres erlassen wurden, die die Anzahl von Personen, die
gleichzeitig zusammenkommen, begrenzen sollen, sieht die jetzt vorgelegte Verordnung folgerichtig entsprechende Regelungen für den beruflichen Bereich vor. Sie
enthält darüber hinaus weitere ergänzende Regelungen die primär dem Infektionsschutz dienen sollen.
1. Recht auf Homeoffice (?)
Wie in vielen alltäglichen Lebensbereichen hat die Pandemie auch im Arbeitsrecht
Entwicklungen beschleunigt. Nachdem die derzeitige Regierungskoalition bereits in
ihrem Koalitionsvertrag (Koalitionsvertrag für die 19. Legislaturperiode zwischen
CDU, CSU und SPD vom 12.3.2018, Rn 363 f.) festgehalten hatte, dass Vorgaben für
„mobiles Arbeiten“ geschaffen werden sollten, sind erste verbindliche Regelungen
nunmehr angesichts der Infektionslage – wenn auch zunächst nur vorübergehend bis
zum 15.3.2021 – geschaffen worden. Die Corona-ArbSchV enthält u. a. Regeln dieArbeitsschutz in Zeiten der Pandemie – Die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung (Corona-ArbSchV)
die Einführung von Arbeiten außerhalb des Büroarbeitsplatzes fördern sollen.
Vielfach als Kernstück der Verordnung ist die Regelung in § 2 Abs. 4 Corona-ArbSchV
bezeichnet worden. Darin wird dem Arbeitgeber die Verpflichtung auferlegt, Beschäftigten „im Falle von Büroarbeiten oder vergleichbaren Tätigkeiten anzubieten, diese
Tätigkeiten in deren Wohnung auszuführen, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen“. Ohne Weiteres erkennbar ist, dass diese Regelung
weder die vielfach angekündigte „Homeoffice-Pflicht“ darstellt noch – was das
Ministerium umgehend klargestellt hat – Arbeitnehmern ein einklagbares „Recht auf
Homeoffice“ zubilligt. Der Arbeitgeber ist nach der Verordnung lediglich verpflichtet
Arbeitnehmern, bei denen eine Arbeit außerhalb der Betriebsstätte möglich ist,
anzubieten, diese in ihrer Wohnung zu erbringen.
Die Verpflichtung ein solches Angebot zu unterbreiten besteht nur in den Fällen, in
denen die Erledigung der vereinbarten Arbeitsleistung außerhalb der Betriebsstätte
möglich ist. Die Verordnung nennt hierfür ausdrücklich „Bürotätigkeiten“. Vergleichbar damit sollen alle Tätigkeiten sein, die „unter Verwendung von Informationstechnologie von zu Hause aus erledigt werden können“ (https://www.bmas.de/DE/Corona/Fragen-und-Antworten/Fragen-und-Antworten-ASVO/faq-corona-asvo.html).
Keines Angebotes bedarf es, sofern zwingende betriebliche Gründe einer Tätigkeit
außerhalb des Betriebes entgegenstehen. Die Verordnung selbst enthält hierzu keine
weitere Erläuterung. Auf der Internetseite des Ministeriums lassen sich aber auch
hierzu einige Beispiele finden, bei denen der Verordnungsgeber davon ausgeht, dass
diese nicht im Homeoffice durchgeführt werden können. Namentlich solle es sich
dabei z. B. um die Bearbeitung und Verteilung eingehender Post, die Bearbeitung des
Warenein- und ausgangs oder Arbeiten im Zusammenhang mit notwendigen
Kunden- und Mitarbeiterkontakten handeln.
Indes sollen Unzulänglichkeiten in der betrieblichen Ausstattung, der betrieblichen
Organisation oder der betrieblichen Fortbildung der Arbeitnehmer den Arbeitgeber
nicht berechtigen, von einem Angebot an den Arbeitnehmer abzusehen. Diese
Senkung der Infektionszahlen. Diese Mängel sollen vielmehr unverzüglich beseitigt werden. Auch lässt sich den Ausführungen des Ministeriums entnehmen, dass allein ein Verweis auf die Einhaltung von Datenschutzgrundsätzen die Verweigerung von Arbeiten im Homeoffice ebenfalls nicht rechtfertigt.
Klarstellend ist darauf hinzuweisen, dass der Arbeitgeber nicht berechtigt ist, die
Arbeit im Homeoffice „anzuordnen“. Vielmehr bedarf ein entsprechendes Angebot
des Arbeitgebers der Annahme, also der Bereitschaft des Arbeitnehmers, in seiner
Wohnung die Arbeitsleistung zu erbringen.
2. Gefährdungsbeurteilung
Chronologisch vor der Frage, ob einem Arbeitnehmer die Arbeit im Homeoffice
angeboten werden muss, besteht die Verpflichtung des Arbeitgebers seine Gefährdungsbeurteilung zu ergänzen. Gemäß §§ 5, 6 ArbSchG ist jeder Arbeitgeber
verpflichtet, für jeden Arbeitsplatz eine Gefährdungsbeurteilung zu erstellen. Diese, in
der Praxis häufig nicht oder unvollständig beachtete Verpflichtung, wird durch § 2
Abs. 1 Corona-ArbSchV dahingehend ergänzt, dass der Arbeitgeber nunmehr in die
Beurteilung auch die Risiken im Zusammenhang mit dem aktuellen Infektionsgeschehen aufnehmen muss. Auf der Basis der so gesammelten Erkenntnisse sind dann alle
notwendigen Maßnahmen zur Reduzierung des Risikos zu ergreifen. Eine dieser
Maßnahmen kann das Angebot zur Arbeit im Homeoffice sein.
Die Gefährdungsbeurteilung ist zu dokumentieren und so vorzuhalten, dass im Falle
einer Kontrolle durch die zuständige Arbeitsschutzbehörde eine Einsicht möglich ist.
3. Weitere Maßnahmen zur Kontaktreduzierung im Betrieb
§ 2 Abs. 2 Corona-ArbSchV verpflichtet den Arbeitgeber soweit wie möglich die
gemeinsame Nutzung von Büroräumen zu reduzieren. Sofern das nicht möglich ist,
soll einerseits für die notwendige Raumlüftung und/oder geeignete Abtrennungen
Sorge getragen werden. Darüber hinaus ist im Fall der nicht vermeidbaren gemeinsamen Nutzung von Büroräumen in der Betriebsstätte eine Mindestfläche von 10 m²
für jede in dem Raum befindliche Person sicherzustellen.
In Betrieben mit mehr als zehn Beschäftigten soll der Arbeitgeber darüber hinaus
gem. § 2 Abs. 3 Corona-ArbSchV die Beschäftigten in kleine Arbeitsgruppen einteilen. Dabei sollen Kontakte zwischen den jeweiligen Mitgliedern der Arbeitsgruppen
nach Möglichkeit verhindert werden. Zur Umsetzung „empfiehlt“ die Verordnung die
Einführung zeitversetzten Arbeitens, sofern dies nach den betrieblichen Gegebenheiten möglich ist.
Schließlich hält die Verordnung ausdrücklich fest, welche Art von Schutzmasken von
dem Arbeitgeber für die Arbeitnehmer, bei denen Kontaktreduktionen nicht möglich
sind, zur Verfügung gestellt werden müssen, vgl. im Einzelnen § 3 Corona-ArbSchV.
Umgekehrt sieht die Verordnung auch eine Verpflichtung der Arbeitnehmer vor, diese
Schutzausrüstung zu nutzen.
4. Beteiligung des Betriebsrats
Betriebe, in denen ein Betriebsrat eingerichtet ist, müssen beachten, dass alle
Maßnahmen, die im Rahmen des Arbeitsschutzes getroffen werden sollen, der
Mitbestimmung unterliegen. Das gilt auch für Maßnahmen zur Verhinderung der
Ansteckung mit dem Corona-Virus. Verweigert der Betriebsrat die Zustimmung zu
einzelnen Maßnahmen, ist zu deren Umsetzung nur noch die Anrufung der Einigungssstelle möglich.
5. Sanktionen
Die Verordnung verzichtet auf die Bestimmungen eigener Ordnungswidrigkeitentatbestände. Das führt im Ergebnis dazu, dass Verstöße gegen die Verpflichtungen aus
der Verordnung als solche nicht bußgeldbeschwert sind. Vielmehr bedarf es zunächst
einer vollziehbaren behördlichen Anordnung, beispielsweise den Arbeitnehmern die
Möglichkeit, ihre Arbeiten im Homeoffice zu erledigen, anzubieten und einen Verstoß
hiergegen, um Bußgelder festzusetzen.
6. Praxistipps
Sofern eine Gefährdungsbeurteilung bislang nicht oder nur unvollständig vorhanden
ist, kann nur angeraten werden, diese nicht zuletzt wegen der aktuellen neuen
Regelungen zeitnah zu erstellen oder zu ergänzen. Dabei bedarf es dieser Gefährdungsbeurteilung nicht nur, um den Regeln in der jetzigen Pandemie gerecht zu
werden. Vielmehr ist die Gefährdungsbeurteilung auch Grundlage beispielsweise für
die Entscheidung, ob Arbeitnehmerinnen während der Schwangerschaft oder der
Stillzeit weiterbeschäftigt werden können.
Der Inhalt der Verordnung bleibt gerade was die Einführung von „mobilem Arbeiten“
angeht, weit hinter den Erwartungen zurück. Das mag bedauert werden. Festzuhalten ist aber auch, dass die jetzige Situation unabhängig von dem konkreten Inhalt der
Verordnung die Chance eröffnet, teilweise neue Arbeitsweisen für bestimmte
Tätigkeitsbereiche zu testen. Dabei wird sich aller Voraussicht nach herausstellen,
welche Bereiche zukünftig besser und welche schlechter flexibel auf andere Tätigkeitsorte verteilt werden können.
(Quelle: Infobrief Arbeitrecht, 4.Jhg. Februar 2021, Markus Pillok, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Köln)
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