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Strafrechtliche Vermögensabschöpfung trotz Verfolgungsverjährung zulässig

Mit  Be­schluss hat das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt ent­schie­den, dass eine straf­recht­li­che Ver­mö­gens­ab­schöp­fung auch in sol­che Fäl­len zu­läs­sig ist, in denen be­reits vor dem In­kraft­tre­ten des Re­form­ge­set­zes im Jahr 2017 Ver­fol­gungs­ver­jäh­rung ein­ge­tre­ten war. Art. 316h Satz 1 EGStGB stel­le bei der­ar­ti­gen Sach­ver­hal­ten zwar eine echte Rück­wir­kung dar, diese sei aber aus­nahms­wei­se wegen über­ra­gen­der Be­lan­ge des Ge­mein­wohls zu­läs­sig und mit dem Grund­ge­setz ver­ein­bar.

Früherer „Verfall“ bei Verfolgungsverjährung ausgeschlossen

Nach der Rechtslage vor Inkrafttreten des Reformgesetzes war die Abschöpfung von Taterträgen, der sogenannte Verfall, bei Verfolgungsverjährung der zugrundeliegenden Straftat überwiegend ausgeschlossen. Eine Ausnahme existierte mit dem erweiterten Verfall gemäß § 73 StGB a. F. Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung wurde in § 76a Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 78 Abs. 1 Satz 2 StGB ausdrücklich die Zulässigkeit der selbstständigen Einziehung von Taterträgen auch für den Fall festgeschrieben, dass hinsichtlich der zugrundeliegenden Tat Verfolgungsverjährung eingetreten ist.

Selbstständige Einziehung von Verjährung entkoppelt

Die selbstständige Einziehung von Taterträgen ist nunmehr laut Gesetz von der Verjährung der Erwerbstat entkoppelt und gemäß § 76b Abs. 1 Satz 1 StGB einer eigenständigen Verjährung unterworfen. Art. 316h Satz 1 EGStGB sieht vor, dass die selbstständige Einziehung von Taterträgen auch dann angeordnet werden kann, wenn nach dem Inkrafttreten der Neuregelung zum 01.07.2017 über Taten entschieden wird, die vor diesem Zeitpunkt begangen wurden. Die Regelung erfasst damit auch Fälle, bei denen die Erwerbstat bereits vor dem 01.07.2017 verjährt war.

BGH sieht Verstoß gegen Rückwirkungsverbot

Im Oktober 2017 hatte das Landgericht zwei Angeklagte von Vorwürfen des Verstoßes gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz wegen absoluter Verjährung freigesprochen. Allerdings hatte es gegen die beiden von den Angeklagten geleiteten nebenbeteiligten Unternehmen die Einziehung des Wertes von Taterträgen nach Art. 316h Satz 1 EGStGB in Verbindung mit §§ 73 Abs. 1, 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 173c Satz 1, 76a Abs. 2 Satz 1 StGB in Höhe von rund 10 Millionen und rund 72.000 Euro angeordnet. Das Landgericht führte zur Begründung aus, dass die Strafverfolgungsverjährung der Anordnung der selbständigen Einziehung nach der geänderten Rechtslage nicht entgegenstehe. Der Bundesgerichtshof hat das Revisionsverfahren ausgesetzt, soweit es die Einziehung des Wertes von Taterträgen betrifft, weil nach alter Rechtslage die Abschöpfung von Taterträgen aufgrund der eingetretenen Verfolgungsverjährung der zugrundeliegenden Taten nicht mehr möglich gewesen wäre. Nach seiner Überzeugung verstößt Art. 316h Satz 1 EGStGB insoweit gegen das allgemeine rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot.

BVerfG: Vermögensabschöpfung ist keine Strafe

Das BVerfG sah dies anders. Es hält Art. 316h Satz 1 EGStGB für mit dem Grundgesetz vereinbar. Die Einziehung von Taterträgen oder deren Wert sei keine Strafe im Sinn des Art. 103 Abs. 2 GG. Die Garantie des Art. 103 Abs. 2 GG solle verhindern, dass der Staat ein Verhalten erst nachträglich hoheitlich missbillige, es mit einer Sanktion belege und dem Betroffenen den Vorwurf rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens mache. Die Vermögensabschöpfung, wie sie durch das Reformgesetz geregelt wurde, sei jedoch keine dem Schuldgrundsatz unterliegende Nebenstrafe, sondern eine Maßnahme im Sinn von § 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB. Ziel des Verfalls sei nicht die Zufügung eines Übels gewesen, sondern die Beseitigung eines Vorteils, dessen Verbleib den Täter zu weiteren Taten hätte verlocken können. Mit der jüngsten Reform habe der Gesetzgeber den quasi-kondiktionellen Charakter der Vermögensabschöpfung nicht in Frage stellen wollen. Seine Neuregelungen hätten die Vermögensabschöpfung nicht derart verändert, dass nunmehr von einem Strafcharakter der vermögensabschöpfenden Maßnahmen auszugehen wäre. Die Qualifizierung der Vermögensabschöpfung als Maßnahme eigener Art und nicht als Strafe stehe im Einklang mit der Europäischen Menschenrechtskonvention. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sei die Vermögensabschöpfung nach dem Reformgesetz nicht als Strafe im Sinne des Art. 7 Abs. 1 EMRK anzusehen.

„Echte“ Rückwirkung ausnahmsweise zulässig

Art. 316h Satz 1 EGStGB sei außerdem mit den im Rechtsstaatsprinzip und in den Grundrechten verankerten Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes vereinbar. Die selbstständige Einziehung von Taterträgen aus verjährten Erwerbstaten stelle zwar eine grundsätzlich unzulässige Rückbewirkung von Rechtsfolgen („echte“ Rückwirkung) dar, soweit das neue Vermögensabschöpfungsrecht auf Sachverhalte anwendbar sei, in denen bei Inkrafttreten des Reformgesetzes bereits Verfolgungsverjährung eingetreten sei. Eine Ausnahme von der Unzulässigkeit sei anerkanntermaßen aber dann gegeben, wenn überragende Belange des Gemeinwohls, die dem Prinzip der Rechtssicherheit vorgehen, eine rückwirkende Beseitigung erfordern. In diesen Fällen müsse der Vertrauensschutz zurücktreten, so auch in diesem Fall.

Strafrechtswidrige Vermögensmehrung soll keinen Bestand haben

Der Gesetzgeber verfolge mit der Anordnung in Art. 316h Satz 1 EGStGB das legitime Ziel, auch für verjährte Taten vermögensordnend zugunsten des Geschädigten einer Straftat einzugreifen und dem Täter den Ertrag seiner Taten – auch im Falle fehlender Strafverfolgung – nicht dauerhaft zu belassen. Durch die Vermögensabschöpfung solle sowohl dem Straftäter als auch der Rechtsgemeinschaft vor Augen geführt werden, dass eine strafrechtswidrige Vermögensmehrung von der Rechtsordnung nicht anerkannt werde und deshalb keinen Bestand haben könne. Die Entziehung solcher strafrechtswidrig erlangter Werte solle die Gerechtigkeit und Unverbrüchlichkeit der Rechtsordnung erweisen und so die Rechtstreue der Bevölkerung stärken.

zu BVerfG, Beschluss vom 10.02.2021 – 2 BvL 8/19

Quelle: Redaktion beck-aktuell, 5. Mrz 2021.

Reisepreis trotz Corona innerhalb von 14 Tagen nach Stornierung zurückzuerstatten

Das Amts­ge­richt Frank­furt am Main hat ent­schie­den, dass ein Rei­se­ver­an­stal­ter ver­schul­dens­un­ab­hän­gig in Zah­lungs­ver­zug gerät, wenn er dem Kun­den die von ihm an­ge­zahl­ten Rei­se­kos­ten nicht in­ner­halb von 14 Tagen nach Stor­nie­rung zu­rück­zahlt. Nach der rechts­kräf­ti­gen Ent­schei­dung gilt dies auch in der Co­ro­na-Krise. Die „frei­wil­li­ge Gut­schein-Lö­sung“ be­rech­ti­ge nicht dazu, zu­las­ten des Kun­den die Rück­zah­lungs­pflicht aus­zu­set­zen.

Pauschalurlaub nach Spanien gebucht

Der Kläger hatte bei einem in Frankfurt ansässigen Reiseunternehmen einen Pauschalurlaub nach Spanien gebucht. Wegen der Corona-Pandemie stornierte die Veranstalterin die Reise aber noch vor deren Beginn. Sie erstattete dem Kläger den gezahlten Reisepreis in Höhe von 2.381,35 Euro jedoch nicht zurück, sondern gewährte ihm lediglich Reisegutscheine in entsprechender Höhe. Eine Rückzahlung des Reisepreises erfolgte auch nicht nach vorgerichtlicher Einschaltung und Fristsetzung durch einen Anwalt. Der Kläger hat deswegen Klage mit der Begründung erhoben, dass er einen Anspruch auf Rückerstattung seines Geldes und nicht bloß auf den Erhalt von Gutscheinen habe.

Reiseunternehmen will keine Zinsen zahlen

Das nun beklagte Reiseunternehmen erkannte die Klage in Höhe von 2.381,35 Euro an. Es ist jedoch der Auffassung, dass es weder Verzugszinsen noch vorgerichtliche Anwaltskosten als Schaden des Klägers erstatten müsse. Die Beklagte sei mit der Rückzahlung des Reisepreises nicht in Verzug gewesen. Insbesondere sei ihr die Rückzahlung wegen unvorhersehbarer Liquiditätsschwierigkeiten und nicht zu bewältigendem Organisationsbedarf nicht möglich gewesen.

Verschuldensunabhängige Haftung

Das AG Frankfurt am Main hat der Klage stattgegeben. Die Beklagte sei nach nationalem und europäischem Recht 14 Tage nach Stornierung der Reise automatisch in Verzug geraten. Daran ändere auch ein Angebot von Gutscheinen oder die Tatsache nichts, dass sich der Veranstalter in Liquiditäts- und Organisationsschwierigkeiten wegen der Corona-Krise befinde. Nach dem Grundsatz „Geld hat man zu haben“ müsse die Beklagte verschuldensunabhängig für die Rückzahlung ihrer Geldschuld einstehen.

Trotz Corona kein Zahlungsmoratorium im Pauschalreiserecht

Insbesondere berechtige sie die durch den Bundestag gewählte sogenannte freiwillige Gutschein-Lösung nicht, zulasten des Kunden ihre Rückzahlungspflicht auszusetzen. Das durch den Gesetzgeber im Rahmen der Krise auf einigen Bereichen eingeführte Zahlungsmoratorium gelte im Zusammenhang mit dem Pauschalreiserecht gerade nicht.

zu AG Frankfurt a. M., Urteil vom 15.10.2020 – 32 C 2620/20 (18)

Redaktion beck-aktuell, 28. Okt 2020.

Kontaktloses Zahlen: EuGH stärkt Verbraucher bei Bankkarten-Verlust

Beim Ver­lust einer Bank­kar­te mit kon­takt­lo­ser Be­zahl­funk­ti­on hat der Eu­ro­päi­sche Ge­richts­hof die Ver­brau­cher ge­stärkt. Nach dem Ur­teil vom 11.11.2020 trägt der Kunde nicht das Ri­si­ko für Zah­lun­gen, die vor­ge­nom­men wer­den, nach­dem er das Ab­han­den­kom­men einer Karte bei der Bank ge­mel­det hat. Diese könne nicht ein­fach be­haup­ten, dass es tech­nisch un­mög­lich sei, die so­ge­nann­te Nah­feld­kom­mu­ni­ka­ti­ons­funk­ti­on (NFC) für das kon­takt­lo­se Zah­len zu sper­ren.

Streit um Geschäftsbedingungen der DenizBank

Banken verlangen in der Regel beim kontaktlosen Bezahlen mit NFC-Karten oder einem Smartphone bei Beträgen bis zu 25 Euro keine Eingabe eines PIN-Codes. Hintergrund der EuGH-Entscheidung ist eine Klage des österreichischen Vereins für Konsumenteninformation (VKI) gegen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen für NFC-Karten der DenizBank. Darin schließt die Bank unter anderem ihre Haftung für nicht autorisierte Zahlungen aus. Zudem weist sie darauf hin, dass der Kontoinhaber beim Verlust der Karte das Risiko eines NFC-Missbrauchs trägt sowie die Sperrung dieser Funktion beim Verlust der Karte nicht möglich sei. Im Prozess vor dem Obersten Gerichtshof Österreichs bestritt die DenizBank „das Vorbringen des VKI, dass eine solche Sperrung technisch möglich sei“, dem EuGH zufolge hingegen nicht.

Keine finanziellen Folgen für Kunden nach Meldungen

Die Luxemburger Richter stellten nun klar, dass es sich beim kontaktlosen Zahlen zwar um ein anonymisiertes Zahlungsinstrument im Sinne der entsprechenden EU-Richtlinie handele und dies der Bank Haftungserleichterungen ermögliche. Aber die Bank könne nicht einfach behaupten, dass das Sperren der Karte technisch unmöglich sei, obwohl dies nachweislich falsch sei. Der Kunde müsse den Verlust oder die missbräuchliche Verwendung der Karte unverzüglich und kostenlos melden können. Nach dieser Meldung dürften keine finanziellen Folgen für den Kunden entstehen – es sei denn, er habe in betrügerischer Absicht gehandelt.

zu EuGH, Urteil vom 11.11.2020 – C 287/19

Redaktion beck-aktuell, 11. Nov 2020 (dpa).