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Verzugspauschale auch bei Gehaltszahlungen?

Gilt die Verzugspauschale nach § 288 Absatz 5 BGB auch im Arbeitsrecht? Diese unter Gerichten bislang umstrittene Frage hat nun das BAG beantwortet. Demnach ist die Regelung über die 40 E-Schadensersatzpauschale grundsätzlich nicht bei Gehaltsansprüchen von Arbeitnehmern anwendbar. Ob diese Ansicht auch unionsrechtlichen Vorgaben entspricht, ist aber weiterhin offen.

Sachverhalt

Ein Baumaschinenführer war langjährig bei einem Unternehmen beschäftigt. Sein Arbeitsverhältnis ging im Rahmen eines Betriebsübergangs nach § 613a BGB auf einen Betriebserwerber über. Im Zusammenhang mit dem Betriebsübergang hat die zuständige Gewerkschaft einen Überleitungstarifvertrag geschlossen, der den Arbeitnehmern des Unternehmens, die von dem Betriebsübergang betroffen sind, eine Besitzstandszulage gewährt.

Seit 01.04.2014 war der Arbeitnehmer beim Betriebserwerber tätig. Danach bestand Streit über die Höhe der geschuldeten Vergütung einschließlich der Besitzstandszulage. Der Arbeitnehmer forderte seinen neuen Arbeitgeber mit Schreiben vom 01.08.2016 unter Fristsetzung bis zum 12.08.2016 erfolglos zur Nachzahlung der Besitzstandszulage auf.

Anschließend erhob er Klage auf Zahlung der rückständigen Besitzstandszulage für die Monate Mai bis September 2016 sowie Zahlung von jeweils 40 E Schadensersatzpauschale gern. § 288 Abs. 5 BGB für die Monate Juli bis September 2016, insgesamt 120 €.

Das ArbG Oberhausen hat die Klage mit Urteil vom 09.03.2017 (4 Ca 1280/16) abgewiesen. Das LAG Düsseldorf hat die dagegen gerichtete Berufung mit Urteil vom 10.10.2017 (8 Sa 284/17) zurückgewiesen. Es hat die Revision hinsichtlich der Verurteilung des Arbeitgebers zur Zahlung der Verzugspauschale zugelassen. Auf die Revision des Arbeitgebers hin hat das BAG mit Urteil vom 25.09.2018 (8 AZR 26/18) die Klage im Ergebnis abgewiesen.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Der Kläger hat keinen Anspruch auf die geltend gemachten Pauschalen. Die Vorschrift des § 288 Abs. 5 BGB findet grundsätzlich auch in Fällen Anwendung, in denen sich der Arbeitgeber mit der Zahlung von Arbeitsentgelt in Verzug befindet.

Allerdings schließt § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG als spezielle arbeitsrechtliche Regelung nicht nur einen prozessualen Kostenerstattungsanspruch wegen erstinstanzlich entstandener Beitreibungskosten aus, sondern auch einen entsprechenden materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch. Damit schließt die Regelung des § 12a ArbGG auch den Anspruch auf Pauschalen nach § 288 Abs. 5 BGB aus.

Folgerungen aus der Entscheidung

Das BAG hat mit dem Urteil die Frage entschieden, in welchem Verhältnis die Vorschrift des § 288 Abs. 5 BGB zu derjenigen des § 12a ArbGG steht. Es hat der Auffassung eine deutliche Absage erteilt, die Vorschrift des § 288 Abs. 5 BGB sei auch im Arbeitsrecht anwendbar.

Das LAG Düsseldorf hatte bereits auf den unionsrechtlichen Ursprung der Regelung des § 288 Abs. 5 BGB hingewiesen. Die Vorschrift dient der Umsetzung der Vorgaben der Richtlinie 2011/7/EU vom 16.02.2011 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr. Sie ist Bestandteil des Gesetzes zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr und der Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes vom 22.07.2014 (BGBl I, 1218).

Mit der Vereinbarkeit des Ergebnisses seiner Auslegung mit Unionsrecht hegt das BAG keinen Zweifel. Es hält die Richtlinie 2011/7/EU vom 16.02.2011 insoweit offensichtlich für einen „acte claire“, weil es von einer Aussetzung und Vorlage im Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV abgesehen hat.

Praxishinweis

Mit dieser Entscheidung ist die Streitfrage über das Verhältnis von § 12a ArbGG und § 288 Abs. 5 BGB aus Sicht des BAG wohl endgültig geklärt. So wie das LAG Düsseldorf hatten zuvor das LAG Köln (Urt. v. 22.11.2016 — 12 Sa 524/16), das LAG Niedersachsen (Urt. v. 20.04.2017 — 5 Sa 1263/16), das LAG Berlin-Brandenburg (Urt. v. 22.03.2017 —15 Sa 1992/16) und das LAG Baden-Württemberg (Urt. v. 13.10.2016 —

3 Sa 34/16) entschieden.

Der einzige offene Angriffspunkt ist die Frage der Vereinbarkeit der Auslegung des BAG mit unionsrechtlichen Vorschriften. Wenn ein Arbeitnehmer eine Änderung der Rechtsprechung erreichen will, geht dies nur über eine Vorlage im Verfahren nach Art. 267 AEUV. Ein solches Vorabentscheidungsverfahren ist für ein nationales Instanzgericht fakultativ, wenn es davon überzeugt ist, dass die Auslegung einer unionsrechtlichen Norm bzw. die Frage der Vereinbarkeit einer nationalen Norm (hier: § 288 Abs. 5 BGB bzw. § 12a ArbGG) mit unionsrechlichen Vorschriften (hier: R1_, 2011/7/EU) streiterheblich ist.

Möglicherweise kommt hier dem Argument Bedeutung zu, dass die Vorschrift des § 288 Abs. 5 BGB keine Bereichsausnahme für das Arbeitsrecht enthält. Denkbar ist auch die Abstimmung der Vorschriften der § 288 Abs. 5 BGB und § 12a ArbGG nach dem Grundsatz lex posterior derogat legi priori. Es wäre nicht das erste Mal, dass der Aussetzungs- und Vorlagebeschluss eines histanzgerichts die Änderung der Rechtsprechung des BAG eingeleitet hat.

Zu beachten ist, clAss es dem Arbeitnehmer unbenommen bleibt, wegen seiner Entgeltansprüche den gesetzlichen Verzugszins nach § 288 Abs. 1 BGB und ggf. weitergehende Verzugsschäden nach § 288 Abs.

4 BGB geltend zu machen. Das BAG verwehrt dem Arbeitnehmer lediglich den Pauschalschadenersatz nach § 288 Abs. 5 BGB.

BAG, Urt. v. 25.09.2018 — 8 AZR 26/18

Arbeitsverträge: Unwirksame Verfallklausel und Mindestlohn

Eine vom Arbeitgeber vorformulierte Verfallklausel in einem Arbeitsvertrag, die alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und damit auch den garantierten Mindestlohn erfasst, ist insgesamt unwirksam, wenn der Arbeitsvertrag nach dem 31.12.2014 geschlossen wurde. In diesen Fällen liegt ein Verstoß gegen das Transparenzgebot vor. Das hat das BAG entschieden.

Sachverhalt

Ein Fliesenleger war auf Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrags bei seinem Arbeitgeber beschäftigt. Im Arbeitsvertrag war u.a. ein Urlaubsanspruch von jährlich 25 Arbeitstagen geregelt. Außerdem hatten die Parteien eine Verfallfrist vereinbart. Wörtlich stand im Arbeitsvertrag:

㤠11 Verfallfristen

Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht worden sind.“

Dann erhielt der Arbeitnehmer im Juni 2016 eine fristlose und vorsorglich eine ordentliche Kündigung. Gegen die Kündigungen klagte er und Mitte August 2016 schlossen die Parteien vor dem Arbeitsgericht einen Vergleich. Darin wurde geregelt, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der fristgemäßen Kündigung aus betrieblichen Gründen geendet hatte.

Der Arbeitgeber verpflichtete sich, das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abzurechnen und sich ergebende Beträge bis Mitte September 2016 zu zahlen. Damit sollten sämtliche gegenseitige Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung erledigt sein.

Der Arbeitgeber hielt sich soweit an den Vergleich, rechnete aber nicht die noch offenen Urlaubstage ab. Der Fliesenleger wollte aber seine Urlaubsabgeltung für 20 Urlaubstage i.H.v. 1.766 brutto erhalten und klagte erneut — allerdings erst im Januar 2017.

Der Arbeitgeber meinte nun, der Anspruch sei aufgrund der arbeitsvertraglichen Verfallklausel nicht mehr durchsetzbar. Schließlich hatte das Arbeitsverhältnis bereits im Juni 2016 geendet und von da ab liefen die arbeitsvertraglich vereinbarten drei Monate.

Der Fliesenleger war aber der Auffassung, dass die Ausschlussfrist unwirksam sei. Dazu trug er eine Reihe von Argumenten vor. Er meinte, er sei von seinem Arbeitgeber bei Abschluss des gerichtlichen Vergleichs arglistig über seine Bereitschaft getäuscht worden, das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abzurechnen.

Eine schriftliche Geltendmachung sei nicht erforderlich gewesen, da der Anspruch konkludent mit der Kündigungsschutzklage geltend gemacht worden sei. Außerdem hing der Abgeltungsanspruch vom Ausgang der Kündigungsschutzklage ab. Auch nach Abschluss des Vergleichs sei er nicht verpflichtet gewesen, den Abgeltungsanspruch schriftlich zu beziffern und geltend zu machen.

Denn der Arbeitgeber habe hierauf zumindest konkludent verzichtet. Das folge aus seiner im Vergleich eingegangenen Verpflichtung, das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abzurechnen und sich daraus ergebende Nettobeträge zu zahlen — und dazu würde auch der Urlaubsabgeltungsanspruch gehören. Insoweit sei die Berufung auf die Ausschlussfrist treuwidrig.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Der Fliesenleger hatte einen Anspruch auf die Urlaubsabgeltung, allerdings lediglich für 19 Tage. Somit hat er 1.687,20 € brutto erhalten. Er musste seinen Anspruch auch nicht innerhalb der vertraglichen Ausschlussfrist geltend machen. An die Begründung dafür hatte der Arbeitnehmer allerdings sicherlich nicht gedacht.

Denn die Ausschlussklausel verstieß gegen § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Sie ist nicht klar und verständlich, weil sie entgegen § 3 Satz 1 MiLoG den ab dem 01.01.2015 zu zahlenden gesetzlichen Mindestlohn nicht ausnimmt. Die Klausel konnte deshalb auch nicht für den Anspruch auf Urlaubsabgeltung nach § 306 BGB aufrechterhalten werden.

Der § 3 Satz 1 MiLoG lautet: „Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, sind insoweit unwirksam.“

Folgerungen aus der Entscheidung

Eine vom Arbeitgeber vorformulierte arbeitsvertragliche Verfallklausel, die ohne jede Einschränkung alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und damit auch den ab dem 01.01.2015 von § 1 MiLoG garantierten Mindestlohn erfasst, ist also unwirksam. Sie verstößt gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Das gilt aber nach dem BAG nur für die Arbeitsverträge, die nach dem 31.12.2014 geschlossen wurden.

Praxishinweis

Ausschlussklauseln, die Mindestlohnansprüche des Arbeitnehmers mitumfassen, sind insgesamt unwirksam. Auch der § 9 Satz 3 AEntG ist ein Verbotsgesetz i.S.d. 134 BGB. Damit sollte sich gar nicht die Frage stellen, ob eine Klausel AGB-rechtswidrig ist oder nicht. Vielmehr ist eine Bestimmung, die gegen das gesetzliche Verbot verstößt, eigentlich per se unwirksam.

Dies gilt allerdings nicht für vollumfassende Ausschlussklauseln in Altverträgen: Derartige Klauseln sind nur insoweit nichtig, als sie sich auf den Mindestlohn erstrecken, bleiben im Übrigen aber wirksam. Ob die Rechtsprechung des BAG zu den Altverträgen tatsächlich Bestand haben wird, bleibt abzuwarten.

Es könnte auch so argumentiert werden: Ein Altvertrag liegt dann vor, wenn der Arbeitsvertrag spätestens am Tag vor dem Inkrafttreten des Tarifautonomiestärkungsgesetzes (16.08.2014) abgeschlossen wurde. Es käme dann nicht auf den 01.10.2015 an, mithin das Datum, zu dem der gesetzliche Mindestlohn fällig wurde. Aber das scheint das BAG jedenfalls derzeit noch anders zu sehen.

BAG, Urt. v. 18.09.2018 — 9 AZR 162/18

Urlaubsabgeltung bei Tod des Arbeitnehmers

Das BAG hat dem EuGH Fragen zur Urlaubsabgeltung beim Tod eines Arbeitnehmers im laufenden Arbeitsverhältnis vorgelegt. Die BAG-Richter gehen davon aus, dass das europäische Recht nicht mit den deutschen Regelungen in Einklang steht. Derzeit ist ein finanzieller Ausgleich für den Erben für den noch offenen Mindestjahresurlaub des verstorbenen Arbeitnehmers noch ausgeschlossen.

Sachverhalt

Eine Frau beklagte den Tod ihres zuvor noch berufstätigen Ehemannes. Vom Arbeitgeber ihres Ehemannes verlangte sie nach dessen Tod die Abgeltung des noch offenen Erholungsurlaubs. Denn Urlaub ist nach § 7 Abs. 4 BUrIG abzugelten, wenn er wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr genommen werden kann.

Die Frau klagte die Urlaubsabgeltung ein. Bereits im Jahr 2014 änderte der EuGH seine Rechtsprechung zu diesem Thema (EuGH, Entscheidung v. 12.6.2014, C- 118/13).

In der Entscheidung hatte der EuGH angenommen, dass Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG dahingehend auszulegen sei, dass er einzelstaatlichen Rechtsvorschriften entgegenstehe, wonach der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub ohne finanziellen Ausgleich untergehe, wenn das Beschäftigungsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers ende.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Das BAG gibt dem EuGH zur Auslegung des Unionsrechts folgende Fragen vor:

  1. Räumt Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (Richtlinie 2003/88/EG) oder Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) dem Erben eines während des Arbeitsverhältnisses verstorbenen Arbeitnehmers einen Anspruch auf einen finanziellen Ausgleich für den dem Arbeitnehmer vor seinem Tod zustehenden Mindestjahresurlaub ein, was nach § 7 Abs. 4 BUrIG iVm. § 1922 1 BGB ausgeschlossen ist?
  2. Falls die Frage zu 1. bejaht wird: Gilt dies auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis zwischen zwei Privatpersonen bestand?

Nach der Rechtsprechung des 9. Senats des BAG können weder Urlaubs- noch Urlaubsabgeltungsansprüche auf den Erben eines Arbeitnehmers übergehen, wenn dieser während des Arbeitsverhältnisses stirbt. Der EuGH hat, wie oben bereits dargestellt, in seinem Urteil von 2014 entschieden, dass einzelstaatliche Rechtsvorschriften dem europäischen Recht entgegenstehen, nach denen der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub ohne finanziellen Ausgleich untergeht, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers endet.

Der EuGH hat allerdings nicht die Frage entschieden, ob der Anspruch auf finanziellen Ausgleich auch dann Teil der Erbmasse wird, wenn das nationale Erbrecht dies ausschließt. Außerdem ist nach Ansicht des BAG nicht geklärt, ob

Das Bauunternehmen zahlte sogar für die vier Reisetage die vereinbarte Vergütung für jeweils täglich acht Stunden, insgesamt 1.149,44 € brutto. Damit gab sich der technische Mitarbeiter aber nicht zufrieden und verlangte die Bezahlung weiterer 37 Stunden. Er wollte die gesamte Reisezeit von seiner Wohnung bis zur auswärtigen Arbeitsstelle und zurück wie Arbeitszeit vergütet erhalten.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Das BAG konnte nicht abschließend entscheiden und musste die Angelegenheit an das vorinstanzliche LAG zurückverweisen. Trotzdem hat es bahnbrechende Hinweise mit auf den Weg gegeben. Entsendet nämlich ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer vorübergehend ins Ausland, erfolgt eine solche Reise ausschließlich im Interesse des Arbeitgebers und ist deshalb i.d.R. wie Arbeit zu vergüten. Das gilt für die Reise zur auswärtigen Arbeitsstelle und von dort wieder zurück.

Allerdings ist vom Arbeitgeber nur die erforderliche Reisezeit zu bezahlen, hier also die Zeit, die für einen Flug in der Economy-Class anfällt. Und da das vorinstanzliche LAG den Umfang der tatsächlich erforderlichen Reisezeit des technischen Mitarbeiters nicht festgestellt hatte, muss es das nun noch nachholen.

Folgerungen aus der Entscheidung

Das BAG gab dem Mitarbeiter im Wesentlichen recht: Weil die Reise im Interesse des Arbeitgebers erfolgte, ist die erforderliche Reisezeit wie Arbeitszeit zu vergüten. Bereits das LAG Rheinland-Pfalz hatte dem Bauleiter für seine Dienstreise nach China die Vergütung der Reisezeit zugesprochen. Hintergrund war der für das Arbeitsverhältnis maßgebliche Rahmentarifvertrag Bau, in dessen § 7 es in Bezug auf Reisezeiten zu auswärtigen Baustellen heißt: „In diesen Fällen hat der Angestellte für die erforderliche Zeit Anspruch auf Fortzahlung seines Gehalts ohne jeden Zuschlag.“ Hierauf wird auch das BAG seine Entscheidung gestützt haben.

Praxishinweis

Das BAG hatte bereits vor wenigen Monaten im Fall eines Aufzugsmonteurs entschieden, dass Fahrten zum Kunden Arbeitszeit sind und als solche bezahlt werden müssen – und zwar auch, wenn der Mitarbeiter morgens von seiner Wohnung zum Kunden ehrt und abends vom Kunden nach Hause. Das folgte unabhängig von möglicherweise anzuwendenden Tarifverträgen aus § 611 BGB (BAG, Urt. v. 25.4.2018 – 5 AZR 424/17).

Gleichzeitig wies das Gericht jedoch auch darauf hin, dass zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine gesonderte Vergütungsregelung für solche Reisezeiten getroffen werden darf Im Urteilsfall regelte der maßgebliche Tarifvertrag ausdrücklich, dass keine Vergütung für den Zeitaufwand von Hin- und Rückreisen erfolgt.

Klar ist aber auch, dass der Mindestlohnanspruch auch für Reisezeiten gelten wird. Das heißt aber nicht unbedingt, dass Arbeitgeber zusätzlich etwas zu bezahlen haben. Sofern sie die zusätzliche Vergütung für Reisezeiten wirksam eingeschränkt haben, genügt es, wenn das Monatsgehalt dividiert durch die Arbeitszeitstunden des Mitarbeiters einschließlich Reisezeiten den Mindestlohn überschreitet.

Im Arbeitsvertrag sollten Arbeitgeber allerdings bei der Vergütungsregelung für Reisezeiten wesentlich sorgfältiger sein als Tarifvertragsparteien bei einem Tarifvertrag. Insbesondere darf nicht der Eindruck erweckt werden, dass Mindestlohnansprüche unterlaufen werden. Insoweit sind die Gestaltungsspielräume bei Arbeitnehmern, die oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung verdienen, wohl etwas größer. Denn hier darf ohne größere Probleme ein gewisser Anteil an Überstunden vorn Grundgehalt mitumfasst werden. Und das könnte natürlich auch für Reisezeiten gelten.

Wenn eine solche Reisezeit wie Arbeitszeit zu bezahlen ist, stellt sich natürlich auch die arbeitszeitrechtliche Frage, die unabhängig von der vergütungsrechtlichen Frage zu sehen ist. Trotzdem wird wohl davon auszugehen sein, dass künftig solche Reisen täglich maximal acht Stunden dauern dürfen. Denn Arbeitnehmer dürfen durchschnittlich nur bis zu acht Stunden pro Werktag arbeiten (§ 3 ArbZG). Werktage sind dabei die Tage von Montag bis Samstag.

Das heißt, dass ein Arbeitnehmer (6 x 8 =) 48 Stunden pro Woche arbeiten darf. Die tägliche Arbeitszeit kann auf bis zu zehn Stunden verlängert werden. Die betreffenden Arbeitnehmer müssen dann an anderen Tagen weniger arbeiten, sodass der Durchschnitt höchstens acht Stunden pro Tag beträgt. Der entsprechende Ausgleich muss innerhalb von sechs Monaten oder 24 Wochen erfolgen.

BAG, Urt. v. 17.10.2018 — 5 AZR 553/17