Archiv der Kategorie: Arbeitsrecht

Wann verfällt der Urlaub? EuGH bestimmt neue 3, Pflichten für Arbeitgeber

1. Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Das Unionsrecht lässt es nicht zu, dass ein Arbeitnehmer die ihm zustehenden Urlaubstage für den nicht genommenen Urlaub automatisch schon allein deshalb verliert, weil er vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses keinen Urlaub beantragt hat. Diese Ansprüche können nur untergehen, wenn der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber z.B. durch eine angemessene Aufklärung tatsächlich in die Lage versetzt wurde, die fraglichen Urlaubstage rechtzeitig zu nehmen, was der Arbeitgeber zu beweisen hat.
Der Arbeitnehmer ist nämlich als die schwächere Partei des Arbeitsverhältnisses anzusehen. Er könnte daher davon abgeschreckt werden, seine Rechte gegenüber seinem Arbeitgeber ausdrücklich geltend zu machen, da insbesondere die Einforderung dieser Rechte ihn Maßnahmen des Arbeitgebers aussetzen kann, die sich zu seinem Nachteil auf das Arbeitsverhältnis auswirken können.
Ist der Arbeitgeber hingegen in der Lage, den ihm insoweit obliegenden Beweis zu erbringen, dass der Arbeitnehmer aus freien Stücken und in voller Kenntnis der Sachlage darauf verzichtet hat, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, nachdem er in die Lage versetzt worden war, seinen Urlaubsanspruch tatsächlich wahrzunehmen, steht das Unionsrecht dem Verlust dieses Anspruchs und — bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses — dem entsprechenden Wegfall der finanziellen Vergütung für den nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub nicht entgegen. Diese Grundsätze gelten unabhängig sowohl für öffentliche als auch für privaten Arbeitgeber.

Folgerungen aus der Entscheidung

Ein Arbeitnehmer darf also seine erworbenen Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub nicht alleine deshalb verlieren, weil er keinen Urlaub beantragt hat. Der Arbeitgeber hat vom EuGH neue Pflichten erhalten:

Er hat nachzuweisen, dass der Arbeitnehmer aus freien Stücken und in voller Kenntnis der Sachlage darauf verzichtet hat, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, nachdem er in die Lage versetzt worden war, seinen Urlaubsanspruch tatsächlich wahrzunehmen. Nur dann steht das Unionsrecht dem Verlust dieses Anspruchs und —bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses—dem entsprechenden Wegfall einer finanziellen Vergütung nicht entgegen.

Praxishinweis

Diese Urteile des EuGHs beziehen sich grundsätzlich nur auf den gesetzlichen Mindesturlaub von vier Wochen pro Jahr, d.h. 20 Arbeitstage bei einer Fünf-Tage-Woche oder 16 Tage bei einer Vier-Tage-Woche.

Wenn Arbeitgeber neue Mitarbeiter einstellen, sollten Sie eine Klausel in den Arbeitsvertrag aufnehmen, sofern dem nicht ein Tarifvertrag entgegensteht. In der Klausel sollte stehen, dass der übergesetzliche Urlaub verfällt, wenn er nicht bis zum Jahresende bzw. bis zum Beschäftigungsende genommen wird und dass der gesetzliche Mindesturlaub

nach den jeweils aktuellen Regeln von Rechtsprechung und Gesetzgebung verfällt. Für bereits vorhandenen Mitarbeiter muss eine solche Klausel in jedem Fall individuell vereinbart werden.

Weiterhin sollte der Arbeitgeber dafür sorgen, dass seine Arbeitnehmer ihren Urlaub nehmen. Wenn Arbeitgeber künftig verhindern wollen, dass sich Urlaubsansprüche ansammeln, müssen Sie ihre Mitarbeiter dem Urteil zufolge darauf hinweisen, dass nicht genommener Urlaub verfällt. Dieser Hinweis muss so rechtzeitig erfolgen, dass die Mitarbeiter ihren Urlaub noch nehmen können. Wenn ein Mitarbeiter dann keinen Urlaub beantragt, ist das seine Sache. Arbeitgeber müssen auch weiterhin von sich aus keinen Urlaub erteilen.

EuGH, Urt. v. 06.11.2018 —C-619/16 und C-684/16

Aktuelle Rechtsprechung zum Verfall von Urlaubsansprüchen

Sehr geehrte Damen und Herren,

ein aktuelles Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 06.11.2018 (C-619/16; C-684/16) bieten uns Anlass, auf eine neue Rechtslage zum Verfall von Urlaubsansprüchen nachdrücklich hinzuweisen.

Dabei hat der EuGH entschieden, dass ein Arbeitnehmer seine erworbenen Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub nicht automatisch deshalb verliert, weil er keinen Urlaub beantragt hat. Diese Ansprüche verfielen vielmehr nur dann, wenn der Arbeitgeber Beweise, dass der Arbeitnehmer freiwillig auf seinen Urlaub verzichtet habe, nachdem er ihm tatsächlich in die Lage versetzt habe, rechtzeitig Urlaub zu nehmen.

Die Vorlage entstand darin, dass das Oberverwaltungsgericht Berlin/Brandenburg und das Bundesarbeitsgericht vom EUGH im vorab Entscheidungsverfahren wissen wollten, ob eine nationale Regelung, hier § 9 EUrlVO Berlin, § 7 BurlG), wonach der Urlaubs- und der Urlaubsabgeltungsanspruch verfallen, wenn der Arbeitnehmer den Urlaub nicht vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses beantragt hat, gegen Unionsrecht verstößt. Laut EuGH lässt es das Unionsrecht nicht zu, dass ein Arbeitnehmer die ihm gemäß dem Unionsrecht zustehenden Urlaubstage und entsprechend seinen Anspruch auf finanzielle Vergütung für den nicht genommenen Urlaub automatisch schon allein deshalb verliert, weil er vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses (oder im Bezugszeitraum) keinen Urlaub beantragt hat. Zur Begründung führt der EuGH aus, dass der Arbeitnehmer als die schwächere Partei des Arbeitsverhältnisses anzusehen sei. Er könne daher davon abgeschreckt werden, seine Rechte gegenüber seinem Arbeitgeber ausdrücklich geltend zu machen. Der Verfall des Urlaubs- und Abgeltungsanspruch ist laut EuGH aber dann nicht zu beanstanden, wenn der Arbeitgeber beweisen kann, dass der Arbeitnehmer aus freien Stücken und in voller Kenntnis der Sachlage darauf verzichtet hat, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, nachdem er in die Lage versetzt wurde, seinen Urlaubsanspruch tatsächlich wahrzunehmen.

Insofern ist nachdrücklich anzuraten, in der 2. Jahreshälfte eines jeweiligen Kalenderjahres die Arbeitnehmer nachweislich aufzufordern, noch bestehende Urlaubsansprüche zu beantragen, um nicht später Urlaubs- bzw. Urlaubsabgeltungsansprüchen bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch ausgesetzt zu sein.

Sollten Sie hierzu Fragen für den Einzelfall haben, stehen wir Ihnen natürlich jederzeit gerne auch anwaltlich beratend zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Korn & Kollegen
Rechtsanwälte
durch: RA Bernd Fleischhack

EuGH: Wöchentliche Ruhezeit nicht zwingend nach sechs aufeinanderfolgenden Arbeitstagen zu gewähren

Die wöchentliche Ruhezeit für Arbeitnehmer muss nicht zwingend an dem auf 6 aufeinanderfolgende Arbeitstage folgenden Tag gewährt werden, sondern kann an einem beliebigen Tag innerhalb jeden Siebentagezeitraumes gewährt werden. Das hat der Gerichtshof der Europäischen Union mit Urteil vom 09.11.2017 entschieden (Az: C-306/16). Dies hat zur Folge, dass es auch rechtmäßig sein kann, wenn der Arbeitnehmer 12 Tage am Stück arbeitet.

Nach der Arbeitszeitlinie 2003/88/EG hat jeder Arbeitnehmer pro Siebentageszeitraum Anspruch auf eine kontinuierliche Mindestruhezeit von 24 Stunden zzgl. der täglichen Ruhezeit von 11 Stunden. Der EuGH sollte klären, ob die kontinuierliche Mindestuhrzeit von 24 Stunden spätestens an dem Tag gewährt werden muss, der auf einen Zeitraum von sechs aufeinanderfolgenden Arbeitstagen folgt. Dies hat der EuGH, wie eingangs ausgeführt, entschieden (www.beck.de/aktuell, Meldung).