Schadenersatz nach Verkehrsunfall – Stundenverrechnungssätze markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen

Der bei einem Kfz-Unfall Geschädigte darf auch bei einer fiktiven Schadensabrechnung grundsätzlich die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger als Wert auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat.

Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden und damit seine bisherige Rechtsprechung bestätigt (vgl. Porsche-Urteil, NJW 2003, 2086). Will der Schädiger den Geschädigten unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht im Sinne des § 254 Abs. 2 BGB zwecks günstigerer Reparaturmöglichkeit auf eine ohne Weiteres zugängliche freie Fachwerkstatt verweisen, muss er laut BGH darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht (Urteil vom 20.10.2009, Az.: VI ZR 53/09).

Sachverhalt

In dem vom BGH mitgeteilten Fall machte der Geschädigte gegen die Versicherung des Schädigers restlichen Schadenersatz aus einem Verkehrsunfall geltend. Dabei wurde das Fahrzeug des Klägers, ein zum Unfallzeitpunkt zirka neuneinhalb Jahre alter VW Golf mit einer Laufleistung von über 190.000 Kilometern, beschädigt. Der VW-Fahrer beharrte darauf, dass für die Reparaturkosten der 90-Euro-Stundensatz einer VW-Werkstatt erstattet wird. Die Versicherung des Unfallverursachers wollte ihn auf eine andere «freien Karosseriefachwerkstatt» verweisen, wo die Reparatur 70 Euro pro Stunde kostete. Der Golffahrer klagte wegen der Differenz von 220 Euro, die sich aus den höheren Lohnkosten ergibt.

Grundsätzlich Stundenverrechnungssätze der markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde zu legen

Im Streitfall hat der BGH das Urteil des Berufungsgerichts bereits deshalb aufgehoben und an das Berufungsgericht zurückverwiesen, weil dieses zur Gleichwertigkeit der aufgezeigten alternativen Reparaturmöglichkeit noch keine Feststellungen getroffen hatte. Die BGH-Richter entschieden im Anschluss an das Porsche-Urteil, dass der Geschädigte seiner Schadensberechnung grundsätzlich die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen dürfe, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger als Wert auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt habe.

Schädiger muss Qualitätsstandard der «freien» Werkstatt darlegen

Wolle der Schädiger den Geschädigten unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht im Sinne des § 254 Abs. 2 BGB zwecks günstigerer Reparaturmöglichkeit auf eine ohne Weiteres zugängliche freie Fachwerkstatt verweisen, müsse er darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht.

Verweisung auf freie Fachwerkstatt kann dennoch unzumutbar sein

Aber auch, wenn das der Fall ist, kann es laut BGH für den Geschädigten unzumutbar sein, sich auf eine Reparaturmöglichkeit in dieser Werkstatt verweisen zu lassen – zum Beispiel bei neuen oder neuwertigen, also bis drei Jahre alten, Kraftfahrzeugen. Hier müsse sich der Geschädigte nicht auf andere Reparaturmöglichkeiten verweisen lassen, die ihm bei einer späteren Inanspruchnahme von Gewährleistungsrechten, einer Herstellergarantie und/oder Kulanzleistungen Schwierigkeiten bereiten könnten, so der BGH. Aber auch bei älteren Kraftfahrzeugen kann es für den Geschädigten laut Urteil unzumutbar sein, sich im Rahmen der Schadensabrechnung auf eine alternative Reparaturmöglichkeit außerhalb einer markengebundenen Fachwerkstatt verweisen zu lassen. Das gelte zum Beispiel dann, wenn der Geschädigte konkret darlege, dass er sein Kraftfahrzeug bisher stets in der markengebundenen Fachwerkstatt habe warten und reparieren lassen oder sein besonderes Interesse an einer solchen Reparatur durch eine konkrete Reparaturrechnung belege.

(von Rechtsanwalt Thoralf Knoth)