Gibt es einen Unterhaltstitel?
„Tituliert“ bedeutet, dass der Unterhaltspflichtige beim Jugendamt oder Notar freiwillig unterschrieben hat, wieviel Unterhalt er schuldet, oder dass es ein Gerichtsverfahren gab, an dessen Ende durch richterlichen Beschluss oder Einigung eine Zahl stand.
Gibt es so einen Titel, droht bei Nichtzahlung sofort die Zwangsvollstreckung z.B. durch Kontenpfändung. Außerdem laufen durch Nichtzahlung die Rückstände zu Schulden auf.
Nur wer ohne Titel – also sozusagen freiwillig – zahlt, kann überhaupt einseitig kürzen.
Dass er dies mit dem Anderen kommunizieren sollte, ist ein Gebot der Fairness, denn dort können ggf. öffentliche Sozialleistungen beantragt werden, um die Lücke zu füllen.
Liegt also ein Titel vor, wären die richtigen Maßnahmen:
Aus Sicht des Unterhaltspflichtigen, der weniger zahlen möchte:
- Man einigt sich mit dem Unterhaltsberechtigten auf eine Kürzung, Stundung, zeitweiligen Verzicht der Vollstreckung, Ratenzahlung.
- beantragt die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung bei Gericht.
- zeitgleich mit einem Abänderungsbegehren nach §§ 238, 239 FamFG.
- aber, Die Parteien eines gerichtlichen Vergleichs können diesen außergerichtlich zwar als materiell-rechtlichen Vertrag ändern, aber nicht als Vollstreckungstitel.
Wesentlichkeitsschwelle
Nicht jede Änderung berechtigt zur Abänderung – dagegen hat die Rechtsprechung den Begriff der „Wesentlichkeitsschwelle“ entwickelt. Diese gilt jedenfalls für Unterhaltsbeschlüsse – nicht zwingend für Vergleiche und Urkunden – ist jedoch nicht starr. Durch die Literatur geistert eine „10-Prozent“-Schwelle, was man als Anhaltspunkt nehmen kann (Gemessen wird nicht die Einkommensveränderung, sondern die des Unterhaltsbetrages).
Der BGH hat allerdings in keiner einzigen Entscheidung den Abänderungsantrag von der Einhaltung der 10 %-Grenze abhängig gemacht.
Nachhaltigkeit der Veränderung
Für das akute Thema „Corona“ relevanter ist die Frage der Dauer. Es kann heute niemand absehen, für welchen Zeitraum die Pandemie-Einschränkungen der Arbeitswelt herrschen.
Um einen Unterhaltstitel wegen veränderter Umstände abändern zu können, muss die wesentliche (s.o.) Veränderung aber nachhaltig sein.
Angenommen, dass nach 2 Monaten alles wieder normal weitergeht und dann bezahlte Überstunden geleistet werden müssen, um Arbeitsrückstände abzubauen – wohl ein Fall ohne Abänderungsmöglichkeit.
Prognostiziert wird ja auch in der Regel ein „Jahreseinkommen“, aus dessen Zwölftel dann die Leistungsfähigkeit berechnet wird.
Überzahlung: unter Vorbehalt Gezahltes gibt es nicht stets zurück
Zuviel gezahlter Unterhalt kann grundsätzlich nicht zurückgefordert werden. Und zwar auch dann nicht, wenn sich erst im Nachhinein herausstellt, dass die Unterhaltszahlung zu hoch war oder dass gar kein Unterhaltsanspruch bestand.
Dabei geht das Gesetz nämlich davon aus, dass der Unterhalt zum Verbrauch bestimmt – also im besten Wortsinn verzehrt – ist, so dass der Unterhaltsempfänger sich auf „Entreicherung“ berufen kann.
Dagegen hilft übrigens nicht der Zusatz „Zahlung unter Vorbehalt“ – jedenfalls nicht, so lange nicht zugleich ein gerichtliches Abänderungsverfahren läuft.
Fazit: Unterhalt während der Corona-Krise
Wer sich mit dem Unterhaltsgläubiger nicht irgendwie einigt, muss den richtigen Augenblick erkennen, in dem er von einer wesentlichen und nachhaltigen Einkommensreduzierung ausgeht, und dann unverzüglich (anwaltlich vertreten!) nach § 241 FamFG vorgehen.
Für weitere Fragen und eine Beratung können Sie uns gern kontaktieren!
Gekürzt übernommen aus https://www.deubner-recht.de Corona-Lohneinbuße und Unterhalt: Wie lässt sich der Unterhalt an aktuelle Entwicklungen anpassen?