AG München entzieht Mutter wegen Umgangsvereitelung Sorgerecht für Sohn / Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte stärkt Single-Vater den Rücken / OLG Oldenburg: Beweisverwertungsverbot für Messergebnisse aus Dauervideoüberwachung an Autobahnen.
1. AG München entzieht Mutter wegen Umgangsvereitelung Sorgerecht für Sohn
Vereitelt ein Elternteil den Kontakt seines Kindes mit dem anderen Elternteil, obwohl kein Grund dafür besteht und entzieht er sich auch allen Vermittlungs- und Hilfsangeboten, kann als letzte Konsequenz das Sorgerecht entzogen werden. Das geht aus einem am 01.12.2009 mitgeteilten Beschluss des Amtsgerichts München hervor. Dieses hatte einer Mutter das Sorgerecht für den Sohn bezüglich des Aufenthaltsbestimmungsrechts, des Rechts zur Ausübung der Gesundheitsfürsorge und des Rechts zur Ausübung der Schulwahl entzogen und dem Vater übertragen.
Sachverhalt
Das Elternpaar hatte sich vor fast zwei Jahren getrennt. Das 10-jährige Kind wohnte bei der Mutter, das Sorgerecht bestand aber weiterhin für beide. Der Vater war auch sehr interessiert daran, seinen Sohn weiter zu sehen. Bereits von Anfang an stieß dies jedoch auf Schwierigkeiten. Denn trotz mehrerer Umgangsvereinbarungen konnte der Vater sein Kind in eineinhalb Jahren nur fünfmal sehen. Von Seiten des Familiengerichts, an das sich der Vater wandte, wurde eine Vielzahl von Versuchen gestartet, die Mutter zu bewegen, den Umgang des Sohnes mit seinem Vater zu gestatten. Eine Beratungsstelle wurde eingeschaltet, ein Mediationsverfahren versucht, eine Umgangspflegerin eingesetzt, die den Umgang begleiten und damit der Mutter ihre Ängste nehmen sollte. Schließlich gab es auch Zwangsgeldandrohungen. Nichts konnte die Mutter bewegen, das Kind öfters zum Vater zu lassen. Im Gegenteil – sie meldete im Herbst 2009 das Kind ohne Zustimmung des Vaters von seiner Schule ab.
Sorgerecht dem Vater übertragen
Daraufhin kam es schließlich zu einer Verhandlung vor dem Familiengericht des AG München. Die zuständige Richterin erholte Stellungnahmen der Umgangspflegerin, des Jugendamtes und schaltete auch einen Sachverständigen ein. Alle kamen zu dem Ergebnis, dass nichts gegen die Besuche des Sohnes bei seinem Vater spricht. Nach der Anhörung aller Beteiligten entzog die Familienrichterin das Sorgerecht der Mutter bezüglich des Aufenthaltsbestimmungsrechts, des Rechts zur Ausübung der Gesundheitsfürsorge und des Rechts zur Ausübung der Schulwahl und übertrug es auf den Vater, dem das Kind in der Verhandlung auch übergeben wurde. Beim Vater bestünden keine Erziehungsdefizite, so das Gericht. Es sei eine enge vertrauensvolle Vater-Kind-Bindung gegeben, die für die positive Entwicklung des Kindes unverzichtbar sei. Die Mutter sei nicht in der Lage, das Bedürfnis ihres Sohnes nach Kontakt zum Vater unter Hintanstellung ihrer eigenen Probleme zu respektieren und zu unterstützen. Nachdem sämtliche Bemühungen gescheitert seien, sei als letztes Mittel ein Überwechseln des Kindes zum anderen Elternteil angezeigt.
Wechsel der Hauptbezugsperson geringeres Übel
Die zuständige Richterin befand, dass der Wechsel der Hauptbezugsperson vom Kind leichter zu verkraften sei als die fortdauernde Traumatisierung durch den Verlust einer Elternbeziehung. Da der Vater im Gegensatz zur Mutter bereit sei, den Umgang des Kindes mit dem anderen Elternteil zuzulassen, gebiete es das Kindeswohl, diese Entscheidung zu treffen, so das Gericht. Dem stehe auch nicht entgegen, dass der Sohn momentan nicht zum Vater wolle. Dies sei nicht sein wirklicher Wunsch, sondern resultiere nur aus dem von der Mutter geschaffenen Loyalitätskonflikt.
2. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte stärkt Single-Vater den Rücken
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat unverheirateten Vätern in Deutschland den Rücken gestärkt. In einem wegweisenden Urteil gaben die Straßburger Richter am 03.12.2009 einem ledigen Vater im Streit um die Sorgeberechtigung für seine 14-jährige Tochter Recht. Der 45-jährige sieht die Bevorzugung von Müttern in Deutschland beim Sorgerecht als Diskriminierung an.
Nach derzeitiger Rechtslage können nicht verheiratete Väter nur mit Zustimmung der Mutter ein gemeinsames Sorgerecht erhalten. Bei ehelich geborenen Kindern gilt hingegen in der Regel ein gemeinsames Sorgerecht. Der Verein «Väteraufbruch» schätzt, dass von dem Urteil 1,5 Millionen Väter von 1,6 Millionen Kindern betroffen sind. Die Bundesregierung prüft nun, ob das Sorgerecht geändert werden muss.
Verstoß gegen Diskriminierungsverbot und Recht auf Achtung des Familienlebens
In der Urteilsbegründung heißt es, der Vater sei von deutschen Gerichten, die gegen ein gemeinsames Sorgerecht entschieden hätten, anders behandelt worden als die Mutter oder in anderen Fällen verheiratete Väter. Dies verstoße gegen das Diskriminierungsverbot und das Recht auf Achtung des Familienlebens der Europäischen Menschenrechtskonvention.
Der Anwalt des Klägers, Georg Rixe, sagte, der Gesetzgeber müsse nun unverzüglich eine Neuregelung schaffen. Der Kläger sagte, er sei auch für die «vielen betroffenen Väter froh», dass zu diesem Thema endlich eine Debatte geführt werde.
Einzelfallentscheidung mit weiteren Auswirkungen?
Der Europäische Gerichtshof entscheidet immer nur über Einzelfälle. Grundsätzlich gilt jedoch, dass der Staat, dem eine Grundrechtsverletzung nachgewiesen wird, dafür Sorge tragen muss, dass sich ein derartiger Fall nicht wiederholt. Die betroffenen Parteien können das Urteil der kleinen Kammer des Straßburger Gerichtshofes anfechten und innerhalb von drei Monaten den Fall vor die große Kammer des Gerichtshofes bringen. Gegen die Entscheidung der großen Kammer wäre dann kein Rechtsmittel mehr möglich.
Justizministerin kündigt Debatte an
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) erklärte, der Gerichtshof beurteile nicht die abstrakte Gesetzeslage, sondern einen Einzelfall. Angesichts der Bandbreite von rechtspolitischen Möglichkeiten werde das Bundesjustizministerium die Debatte über gesetzgeberische Änderungen jetzt sorgfältig und mit Hochdruck führen. Die Ministerin gab zu bedenken, dass die Rollenverteilungen, Familien- und Lebensformen im Wandel begriffen seien.
Eine vom Bundesjustizministerium beauftragte wissenschaftliche Untersuchung, ob die damaligen Beweggründe des Gesetzgebers auch heute noch Bestand haben, werde leider erst Ende 2010 vorliegen. Die Studie des Deutschen Jugendinstituts untersuche, wie der Alltag in nichtehelichen Lebensgemeinschaften mit gemeinsamen Kindern aussehe. Entscheidend sei, wie sich nichteheliche Lebensgemeinschaften über längere Zeiträume entwickelten. Ob es trotz der Möglichkeit gemeinsamer Sorge beim alleinigen Sorgerecht der Mutter bleibe, stehe im Mittelpunkt der Untersuchung.
3. OLG Oldenburg: Beweisverwertungsverbot für Messergebnisse aus Dauervideoüberwachung an Autobahnen
Messdaten, die aus einer Dauervideoüberwachung an Autobahnen stammen, dürfen vor Gericht nicht als Beweis verwertet werden. Dies hat das Oberlandesgericht Oldenburg mit Beschluss vom 27.11.2009 klargestellt. Denn die fortlaufende Überwachung der Fahrbahnen mit Videoaufnahmen zur Feststellung von Verkehrsverstößen wegen Abstandunterschreitungen oder Geschwindigkeitsverstößen sei unzulässig. Weil die Dauervideoüberwachung schwerwiegend in das allgemeine Persönlichkeitsrecht eingreife, bestehe ein Beweisverwertungsverbot für die damit gewonnen Daten (Az.: Ss Bs 186/09).
Datenerhebung fehlt gesetzliche Grundlage
Der Landkreis Osnabrück hatte gegen einen Autofahrer einen Bußgeldbescheid erlassen. Dem Autofahrer war vorgeworfen worden, auf der Autobahn A1 den erforderlichen Abstand zu dem vorausfahrenden Fahrzeug nicht eingehalten zu haben. Das Messergebnis beruhte auf einer Dauervideoüberwachung. Gegen den Bußgeldbescheid legte der Autofahrer Einspruch ein. Das Amtsgericht Osnabrück sprach ihn daraufhin frei. Es berief sich auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, wonach eine gesetzliche Grundlage für diese Art der Messung fehle. Das Messergebnis sei daher rechtswidrig erlangt worden und deshalb auch nicht als Beweismittel verwertbar. Gegen dieses Urteil legte die Staatsanwaltschaft Osnabrück Rechtsbeschwerde beim OLG Oldenburg ein. Allerdings ohne Erfolg: Der für Bußgeldsachen zuständige OLG-Senat bestätigte die Entscheidung des AG. Da die Messdaten ohne gesetzliche Grundlage erhoben worden seien, bestehe diesbezüglich ein Beweisverwertungsverbot.
(von Rechtsanwalt Thoralf Knoth)